DE- Kurzgeschichte- Der Matador

Podcast & Video am Ende der Seite

Informationen zur Geschichte:

Eine Präsentation des Forschungsinstituts "Andishe Online Germany (AOG)"

Auszug aus dem Buch "Das Wunder von Guadalupe"

Autor: Faramarz Tabesh

Fertigstellungs-/Veröffentlichungsdatum der persischen Originalfassung: Winter 2005/31.12.2019

Erscheinungsdatum der deutschen Version: 11. Mai 2024

Der folgende Text wurde von Faramarz Tabesh aus dem Persischen (Farsi) ins Deutsche übersetzt

 


 


Der Matador



Erste Szene

Eros [1] flog über die Stadt Madrid, wie Zeus es ihm befohlen hatte. Nachdem er die Stadt patrouilliert und ihre Winkel durchstreift hatte, landete er auf einem Hügel, wählte langsam und vorsichtig drei Pfeile aus einem besonderen Köcher, den er auf dem Rücken trug, und schoss sie nacheinander mit seinem Bogen ab. Alle drei Pfeile hatten goldene Spitzen.

Obwohl die Pfeile verzögert abgeschossen wurden, flogen alle drei parallel in die gleiche Richtung. Als ob sie ihre Aufgabe, ihren Weg und ihr Ziel genau kannten. Deshalb teilten sie den Raum so weit wie möglich ein und bewegten sich mit beeindruckender Ernsthaftigkeit vorwärts.

 

 

Zweite Szene

Etwas weiter östlich, fast schon am Rande der Stadt, spielte und trieb sich ein hagerer Junge herum. Er stand in Matador-Kleidung, einem kurzärmeligen Hemd und einer knielangen Matadorhose, direkt hinter einem Teil der Stierkampfarena, deren Wände aus senkrecht in den Boden eingelassenen Holzbrettern bestanden.

 

In dieser Arena hatte er fünf Jahre zuvor seinen Vater bei einem Stierkampf verloren. Doch diese unheilvollen Erinnerungen und der unheimliche Charakter der Stierkampfarena führten nicht dazu, dass der Junge sie hasste. Im Gegenteil: Von diesem Tag an zog es ihn fast täglich dorthin. Es ist, als ob dieser Junge durch einen unbekannten und ungeschriebenen Vertrag sein endgültiges Schicksal mit diesem Ort verbunden sah und vielleicht in seinem Unterbewusstsein die Begegnung mit seinem Vater an diesem Ort für unvermeidlich hielt.

 

 

Dritte Szene

Carlos stand auf, als der Wecker klingelte, und setzte sich auf die Bettkante. Sein Mund fühlte sich bitter an, weil er in der letzten Nacht zu viel getrunken hatte, aber seine starken Kopfschmerzen wurden durch den süßen Traum, den er geträumt hatte, gelindert.

Er hatte sich selbst in der Stierkampfarena gesehen, die jedoch menschenleer war. Nur ein alter Mann mit fast schwarzer, faltiger Haut, die Hände auf der Brust, im Matadorenkostüm, sah ihn freundlich lächelnd an.

Der alte Mann stand am Ende eines der Gänge, in denen sich die Zuschauer aufhielten, und mit seinen durchdringenden Augen hatte er eine tiefe, liebevolle Verbindung zu dem jungen Matador aufgebaut, und mit dieser Verbindung hatte er eine positive Wirkung auf die inhaltslosen Gedanken des Mannes ausgeübt.

Plötzlich sah der Matador in der Mitte des Feldes vor sich einen goldenen Stier, der mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zuraste. Doch diesmal spürte der junge Torero in den Augen des Stieres eine überraschende Zuneigung statt Wut. Deshalb rührte er das rote Tuch nicht an und bewegte sich auch nicht. Es war, als erwartete er jeden Augenblick die Ankunft des Stieres, und jeden Augenblick verwandelte sich diese Erwartung in ein seltsames und unglaubliches Verlangen, das der Matador bis zu dieser Stunde nie in sich gespürt hatte.

Je stärker der Wunsch des jungen Mannes wurde, sich dem Stier zu stellen, desto mehr dehnte sich die Zeit und desto mehr krümmte sich der Raum. Dann drehte der junge Mann für einen Moment den Kopf und sah den alten Mann an, den er für seinen Vater hielt. Einen Vater, den er nie in der Wirklichkeit gesehen hatte, und diese große Leere war zum größten Komplex [2] seines Lebens geworden, den er viele Jahre seines Lebens wie eine schwere psychische Last mit sich herumtrug.

Der Matador wandte sich dem Stier zu. Nun verwandelte sich das Geschöpf, gegen das er in den letzten Jahren seines Lebens gekämpft hatte, allmählich nicht nur in einen Freund, sondern auch in einen Retter, dessen Wesen er nicht kannte.

 

Plötzlich schien es dem jungen Matador, als sei der Stier aus seiner Form herausgetreten und völlig erleuchtet. Der Matador wagte es, trat einen Schritt vor und berührte den Stier, der nun aus reinem Licht bestand, und in diesem Moment wurde ihm plötzlich bewusst, dass sich dieser Ort immer mehr krümmte und sich in Kreise verwandelte, die sich ineinander drehten. Etwas wie eine Höhlenöffnung oder ein sich drehender Tunneleingang. Kurz darauf verschmolzen Stier und Matador, und der junge Mann fand sich in diesem Tunnel neben einem alten Mann wieder, der ihn fortan mit großer Selbstverständlichkeit als seinen Vater betrachtete. Eine ungewöhnliche und sehr glückliche Begegnung. Furchtlos, fröhlich, in tiefem Frieden.

Der junge Mann erhob sich von der Bettkante, ging zum Wasserhahn und trank ein paar Schlucke mit dem Mund. Danach ließen seine Kopfschmerzen etwas nach, und er erinnerte sich daran, dass er in einer Stunde in der Stierkampfarena sein musste, um eine weitere ekelerregende Vorstellung zu geben.

Der junge Matador hatte sich ursprünglich für diesen Beruf entschieden, weil er den Drang verspürte, zu kämpfen.

Es war, als ob der Speer, den er dem Stier immer wieder in den Leib stieß, derselbe Speer war, den er in seinen Träumen mit aller Kraft in das Gesicht seines unangenehmen Schicksals stieß.

Vielleicht aus dem gleichen Grund und seit seiner Kindheit hatte er den großen Wunsch gezeigt, diese Kunst zu erlernen, wenn man sie überhaupt eine Kunst nennen kann.

Psylogisch gesehen versuchte er, seinen Wutschrei zu unterdrücken, indem er einen dümmeren Stier mit einem Speer verletzte und so einen Teil seiner aufgestauten Wut abreagierte.

 

Carlos war ein typisches Beispiel für Menschen, die allein leben und ihre Zeit damit verbringen, zu hoffen, dass sie wiederfinden, was sie verloren haben. Menschen, die Sklaven ihrer Sinne sind. Dies ist nichts anderes als ein offensichtliches psychologisches Beispiel für einen Schrei, der durch den Mangel an Befriedigung emotionaler Wünsche, Sehnsüchte und Begierden verursacht wird. Ein solcher Mensch ist nichts anderes als ein in der irdischen Welt Verlorener, der nicht weiß, wer er ist, warum ihm dies widerfahren ist und was am Ende dieser Reise mit ihm geschehen wird.

 

Carlos befriedigt sich seit langem mit exzessivem Alkoholkonsum. Obwohl ihn der Schmerz der Vaterlosigkeit quälte, hatte er tief in sich hinein noch einen anderen Grund zu trinken. Denn neben diesem Mangel quälten ihn in den dunklen, spinnwebverhangenen Winkeln seines Geistes noch viele andere unerfüllte Bedürfnisse, ohne dass er es wusste.

 

Nein, Carlos' Alkoholismus war vielleicht eine innere Sehnsucht nach etwas Unbekanntem. Die Sehnsucht nach dem, was die Philosophen die Wahrheit des Lebens, die großen persischen Mystiker den Ursprung allen Seins und die indischen Sadhus das einzige Geheimnis nannten.

 

Als Teenager, bevor er seine Mutter verlor, ging er jede Woche mit ihr in die Kirche, um die Predigt des Pfarrers zu hören. Die Worte des Pfarrers waren etwas anders als die seiner Vorgänger, denn er sprach vor allem von der bedingungslosen Liebe des barmherzigen Christus, aber es gab etwas, das Carlos nie verstanden hatte, und es war nichts anderes als dieses Verständnis des Priesters von den Inhalten und Grundlagen des Christentums, das ihn dazu brachte, eine Bedingung an diese bedingungslose Liebe zu knüpfen.

Der Priester glaubte nämlich, dass die Liebe Christi nur durch die Bekehrung zum Christentum erreicht werden könne. Eine Behauptung, die dem Prinzip der Bedingungslosigkeit und Universalität dieser Liebe widerspricht.

 

Nach dem Tod seiner Mutter verlor Carlos die Gewohnheit, in die Kirche zu gehen und die Predigt des Pfarrers zu hören, weil er seine aufeinander folgenden Leiden im Leben nicht mit der Bedeutung der bedingungslosen Liebe und Zuneigung Christi in Einklang bringen konnte.

 

 

Vierte Szene

Die drei Pfeile, die nebeneinander vom Bogen des Eros abgeschossen wurden, bewegten sich parallel und blitzschnell auf ein unbekanntes Ziel zu. Es war, als ob sie in einem Wettlauf des Schicksals miteinander konkurrierten, um ihre Aufgabe so schnell und präzise wie möglich zu erfüllen, obwohl eine unsichtbare Macht den dreien keine Chance ließ, sich gegenseitig zu übertreffen.

 

 

Fünfte Szene

Maria war eine depressive Frau von vierzig Jahren. Mit ihrem dunkelschwarzen Haar, das sie gewöhnlich hinter dem Kopf zusammengebunden trug, und ihrem langen, einteiligen, nicht ganz neuen, aber sauberen und würdevollen schwarzen Kleid mit der purpurroten Spitze auf den knochigen Schultern war sie ein klares Beispiel einer relativ alten und klassischen Spanierin. Ihr starker und tiefer Husten erschütterte ihren schlanken Körper so sehr, dass sie häufig aus dem Hals blutete. Dies war das Zeichen einer tödlichen Krankheit, an der die Frau mittleren Alters litt.

Maria arbeitete als Näherin im zweiten Stock einer Passage im Armenviertel von Madrid und schlug sich mit ihrem einzigen Kind und ihrer alten, behinderten Mutter durch. Diese Frau kämpfte die meiste Zeit mit verschiedenen schrecklichen Gedanken. Sie gehörte zu den Menschen, die das Leben von seiner bitteren, unangenehmen und dunklen Seite kennen lernten. Diese Frau konnte als eine Figur betrachtet werden, die zur falschen Zeit, mit den falschen Menschen, in unausgeglichenen Beziehungen, mit einer unangemessenen Identität und in einem irrelevanten Bereich lebte.

Auch mit ihrem Geschlecht war Maria die meiste Zeit unzufrieden. Ein klares Beispiel für einen Maschinenmenschen oder eine humanoide Maschine. Ein Wesen, das nur dann lacht, wenn die Nervosität die rote Linie überschreitet. Geboren in einer ländlichen Familie mit einem gewalttätigen Vater, hatte sie bis zu ihrer Heirat bedingungslos den Befehlen ihres Vaters gehorcht. Dann heiratete sie auf Wunsch ihres Vaters einen weniger gewalttätigen, aber verantwortungslosen Mann, der nicht einmal in der Lage war, ihre grundlegendsten weiblichen Wünsche zu erfüllen.

Nach dem Tod ihres Mannes arbeitete sie all die Jahre als Näherin. Für Maria waren die Grenzen zwischen Kindheit, Jugend und Alter völlig chaotisch und verwischt. Das Schicksal hatte eine schwarze Linie in ihr Leben gezogen, deren Richtung die anderen Figuren mit unbeschreiblicher Gewalt bestimmten. Das machte sie zu einem gespenstischen Wesen, dessen einziger Halt ein schwacher Glaube war, wie eine Kerze mit schwachem Licht, und das war’s.

Maria nähte und nähte und kämpfte mit ihren fernen Gedanken. Aber in letzter Zeit schien es, als könne sie ohne diese Gedanken nicht mehr leben. Diese abscheulichen und krankhaften Gedanken waren in ihrem Kopf aufgetaucht, und wie kleine weiße Würmer, die sich bei der richtigen Temperatur schnell vermehren, waren sie in jeden Winkel ihres Geistes eingedrungen und hatten alle ihre Gedanken erobert. Doch als Antwort auf diese große psychische Störung versprach ihr eine Stimme Frieden und Ruhe, und Maria hielt diese Stimme für die Stimme des barmherzigen Jesus, der ihr eine bessere Zeit versprach.

 

Die Ereignisse ihres ganzen Lebens hatten diese Frau schwer gelehrt, sich in den schwierigsten Momenten an die Predigten des Priesters zu erinnern, der trotz seines schlechten Rufs einen sanften und wirkungsvollen Ton hatte, obwohl diese Sanftheit in seiner Rede natürlich mit der Wirkung der Worte selbst zu tun hatte und nicht mit der Persönlichkeit und Identität des Priesters.

Sich an die Worte Christi zu erinnern, war wie Wasser auf das innere Feuer zu gießen, das durch die aufeinanderfolgenden Misserfolge seines gegenwärtigen Lebens und vielleicht auch einiger früherer Leben entfacht worden war.

 

„Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. ...“

 

Aber solche Zitate konnten den Schmerz nur vorübergehend lindern, nicht heilen.

 

 

Sechste Szene

Der Junge und seine gleichaltrigen Freunde und vielleicht auch ältere Leute, die sich wegen ihrer Armut keine Eintrittskarten kaufen und die Stierkampfarena nicht betreten konnten, hatten einige kleine und große Löcher in die Holzwand der Stierkampfarena gebohrt und beobachteten durch diese Löcher das Innere der Stierkampfarena. Eigentlich warteten sie auf den Beginn des Stierkampfes, und das war tatsächlich für den Jungen ein fast tägliches Vergnügen.

 

Seit einigen Jahren hatte er sich daran gewöhnt, die Stunden vor dem Beginn des Stierkampfes nicht mehr in Angst und Sorge zu verbringen. Aber heute, vom Morgen bis zu dieser Stunde, hatte er ein besonderes Gefühl. Er spürte ein seltsames Gefühl in seinem Herzen. Es war, als würde man in einem Vergnügungspark vom höchsten Punkt einer Achterbahn fallen oder von einem hohen Berg in ein blaues Meer springen. Ein Meer, das von wunderschönen Blumen auf frischem Gras umgeben war. Den ersten Zustand hatte er einmal in einem Vergnügungspark erlebt, den zweiten in einem Traum.

 

Jedenfalls machte sich der Junge heute keine Sorgen. Aber er wartete auf den Spielbeginn und zeigte von Zeit zu Zeit seine Ungeduld, indem er durch eines der Löcher im Spielfeld schaute.

 

Heute lag eine Welle der Energie in der Luft der Stadt oder zumindest in der Umgebung dieses Platzes. Etwas musste sich entwickeln. Etwas wie das Aufblühen einer Knospe in der herrlichen Morgendämmerung eines Sommertages oder das Schlüpfen eines wunderschönen Schmetterlings aus seinem Kokon. Eine Art Befreiung oder Einfachheit, eine Art Verbindung mit einer unbekannten und ungewohnten Kraft. Es war etwas, das der eifrige Junge fühlte, ohne es analysieren zu können, und obwohl dieser Zustand in ihm ein Gefühl des Ekels hervorrief, gewöhnte er sich allmählich daran, indem er einer inneren Gewohnheit folgte.

Ruhig, gelassen, selbstsicher.

 

 

Siebte Szene

Carlos, der junge Matador, zog widerwillig sein spezielles Kostüm an und setzte seinen Hut auf. Er betrachtete sich in einem senkrechten Spiegel, aber was er sah, gefiel ihm nicht. Es war, als würde er einen Fremden im Spiegel betrachten.

 

„Wer ist das wirklich? Carlos oder ein Körper, der sich bewegt? Bin ich in diesem Körper, oder ist er in mir gefangen? 

 Wer bin ich wirklich?  Was ist dieses Ich?"

 

Nach einigen Minuten gelang es dem jungen Mann, diese für ihn philosophischen Gedanken zu unterbrechen. Plötzlich fühlte er sich mit einer Entschlossenheit, die er in letzter Zeit selten an sich gesehen hatte, bereit, gegen dieses stumme, aber störrische, grausame und konfrontative Tier zu kämpfen, und rannte auf das Feld.

Der Kampfstier ist ein Tier, das sich nicht nur hartnäckig den unheilvollen Fängen des Todes entzieht, sondern auch den Gegner angreift, ihn in den Wahnsinn treibt und manchmal sogar aus seiner physischen Fessel befreit.

 

"Ist der Tod wirklich schrecklich? Hat der Stier nicht das Recht, sich zu verteidigen? Habe ich Recht oder er? Oh, wirklich,

wenn dieses Tier mich tötet, sollte ich es dann nicht als meinen Freund betrachten, weil es mich von diesem Leichnam befreit hat?"

 


Der Matador seufzte und dachte:

„Mein Gott, philosophischer Unsinn!“

 

Mit diesen Worten rettete Carlos seinen Geist vor den unerbittlichen Schlägen solcher Gedanken und konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe. Mit diesem Entschluss schien er die gewünschte Einheit von Körper und Geist erreicht zu haben. So eilte er schnellen Schrittes zur Stierkampfarena, die nur noch wenige Minuten entfernt war.

 

 

Achte Szene

Während Maria sich mit einem Taschentuch die blutigen Sekrete aus dem Mund wischte, die bei einem heftigen Husten aus ihrer Lunge geflossen waren, überkam sie plötzlich ein seltsames Gefühl.

Ein wunderbares Gefühl, das sie weder analysieren, noch beschreiben konnte.

Sie fühlte sich, als würde sie in einer endlosen Wüste vor Hitze und Durst umkippen und zusammenbrechen. Dieses Gefühl der Verzweiflung und Hilflosigkeit versperrte ihr das Fenster des Optimismus in ihrer Psyche.

Aber gleichzeitig überkam sie eine andere Vision, die ihr eine andere Szene zeigte. Plötzlich sah sie in nicht allzu weiter Entfernung einen großen Teich voller Wasser und daneben Bäume mit bunten Blumen. Aus diesem Teich wehte eine Brise, und diese Brise erweckte ihre ausgetrocknete Seele zu neuem Leben. Zusammen mit diesem Gefühl empfand Maria eine seltsame Depression, die im Gegensatz zu den ersten Gefühlen stand. Diese Angst war stark genug, um sie zu bewegen.


Maria hörte auf zu arbeiten und ging, von einem eisernen Instinkt getrieben, in die Gasse, scheinbar ohne zu wissen, wohin.

Der von der Tuberkulose verursachte Husten hatte ihren mageren, knochigen Körper erneut ins Wanken gebracht. Es ist, als ob ihre Seele von innen gegen die Körperwand schlägt und nach Freiheit schreit.

Das blutige Sekret, das mit jedem Husten mehr wurde, spritzte auf ihre schwarze Kleidung und auf den Asphalt der Straße. Maria konnte sich nicht einmal den Mund abwischen.

Die mächtige Hand des Schicksals führte sie zu einem Ziel, das zumindest Maria unbekannt war. Maria gewann mit jedem Augenblick an Geschwindigkeit. Eine Geschwindigkeit, die von einem Konflikt widersprüchlicher Gefühle angetrieben wurde.

Sorge, Angst vor einem tragischen Ereignis, Gefühl der Befreiung und Hoffnung.                                                                                                               

 

 

Neunte Szene

Die Stierkampfarena war voll mit Zuschauern. Die meisten waren Touristen aus der ganzen Welt.

Da es nicht genug Stühle gab, standen einige Leute auf und warteten ungeduldig auf den Kampf.

Einigen Zuschauern war es egal, ob der Stier oder der Matador getötet wird. Die Hauptsache war, dass Blut vergossen werden musste, um vielleicht mit diesem Blut ihre endlosen und manchmal krankhaften Erwartungen und Wünsche und auch das Stigma dieser Entfremdung von ihrem wahren Selbst abzuwaschen.

Etwas musste zusammenbrechen und sich auflösen, um diese blutrünstigen Menschen zu befreien.

Aber war es der Tod des Matadors oder der wilde Stier in der Arena?

 

 

Zehnte Szene

Als der Augenblick des Kampfes näher rückte, hatte der Junge die Spitze der Hecke erreicht, von der aus er den ungleichen Kampf des Matadors mit dem stummen Stier gut beobachten konnte.

Wenige Minuten später betrat der Matador unter dem seltenen Lärm der Menge die Arena, und bei seiner Ankunft ertönte ein ungewöhnlicher Jubel.

Nach den üblichen Zeremonien des Stierkampfes wartete Carlos darauf, dass der Stier freigelassen wurde. Das Warten dauerte nicht lange und der Stier betrat die Arena, als sich das Eingangstor öffnete. Dieses Warten dauerte nicht lange und der Stier betrat die Arena, als sich das Eingangstor öffnete.

Als der Stier die Arena betrat, war der zweite Teil des Vertrages dieses ungleichen und unnötigen, aber blutigen Konflikts erfüllt, und der Jubel und die Freude der Zuschauer stiegen zum Himmel und erreichten ihren Höhepunkt.

Der Matador schaute dem Stier einen Augenblick in die Augen und sah ihn voller Zorn. Ohne zu zögern, schleifte der Stier mit seinem linken Huf mehrmals über den Boden und griff plötzlich den Matador an. Der Mann hob mit beiden Händen sein rotes Samttuch an seine linke Seite und lenkte den Stier geschickt ab.

Bevor der Stier seinen Fehler bemerkte, prallte er gegen die hölzerne Wand vor ihm, und gleichzeitig stürzte der Junge durch die heftigen Erschütterungen der Wand einige Schritte vom Stier entfernt zu Boden.

Das Maul des Stieres schäumte vor Wut, und der Junge erstarrte vor Angst.

Der Stier traf seine Entscheidung mit einem wütenden Blick und sprang auf das Kind zu, das keine zehn Meter entfernt war.


Der Matador, der die Absicht und das Ziel des Stieres erkannte, stürzte sich mit einem lauten Schrei auf den Stier und warf den kurzen Speer, den er in der Hand hielt, um die Aufmerksamkeit des Stieres auf sich zu lenken.

Der Stier stürmte auf den Matador zu, der sich ihm ebenfalls mit großer Geschwindigkeit näherte, und erst im letzten Moment, bevor der junge Mann manövrieren konnte, schlug er ihm sein Horn in die Seite und riss sie auseinander.  

 

Ein stechender Schmerz durchfuhr das ganze Wesen des Matadors, doch als er die Absicht des Stieres zu einem neuen Angriff erkannte, rappelte er sich mit aller Kraft auf und konnte sich nur mit Mühe vor einem erneuten Sturz zu Boden bewahren.

Der Stier stürzte sich erneut auf Carlos und er wusste, dass er diesmal den letzten Schlag von diesem wahnsinnigen Stier bekommen würde.

Mitten in diesem Kampf verlor Carlos allmählich den Hass und die Kampfeslust, die er immer für dieses Tier empfunden hatte. Deshalb versuchte er nicht, sein rotes Tuch zu heben, um den Stier zu täuschen und abzulenken, und machte auch nicht die geringste Bewegung.

Das wilde Tier versetzte seinem kapitulierenden Gegner einen weiteren furchtbaren Schlag, drehte sich auf der anderen Seite des Feldes um und griff erneut an. Der Stier näherte sich schnell seiner Beute, aber für Carlos hatte sich die Realität der Zeit verändert.

Er hatte plötzlich ein anderes Bewusstsein und sein Verständnis von Dimension, Zeit und Ereignissen hatte eine nie dagewesene Reichweite erreicht.

Er betrachtete den Stier nicht mehr als Feind. Für ihn hatte das Tier sogar eine andere Farbe.

Der junge Mann konnte bestimmte Lichtstrahlen um sich herum sehen. Allmählich ging der Weg in eine tiefe Kurve über, und diese Kurve wurde zu einem Tunnel, der ihn in sich hineinzog.

 

Aus einigen Metern Höhe sah Carlos plötzlich seinen blutüberströmten Körper auf dem Boden liegen, über dem sich ein leuchtender Pfeil mit goldener Spitze bewegte.

Auf der anderen Seite des Feldes sah der Matador den Jungen, der vor Schreck regungslos dastand, und den wilden Stier, der auf ihn zuraste.

Für einen Moment sah der Matador in dem Jungen seine Kindheit wieder und empfand eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit mit ihm.

Doch dann zog eine andere Strömung seine Aufmerksamkeit auf sich. Am Eingang eines Tunnels sah er einen alten Mann im Matadorkostüm, der seinen Hut unter den Arm geklemmt hatte und mit durchdringenden schwarzen Augen auf die Entscheidung des jungen Matadors wartete.

Mit dem neuen und umfassenden Verständnis, das er gewonnen hatte, erkannte der Matador, dass der Mann, der im Tunnel stand, derselbe alte Mann war, den er letzte Nacht im Traum gesehen hatte, und er hielt ihn für seinen Vater. Dann warf er einen weiteren Blick auf das Kind und erkannte mit Frost, dass er ihm am besten helfen konnte, wenn er dem Schicksal seinen Lauf ließ.

Er hatte nun ein neues und präzises Verständnis vom Tod, das sich von seinem bisherigen völlig unterschied.

 

 

Elfte Szene (letzte Szene)

Maria ging nicht mehr, sie lief. Plötzlich stand sie an der Holzwand der Stierkampfarena und schaute durch das Loch in die Arena, sah den blutigen Körper des Matadors am Boden liegen und den Stier, der auf einen Jungen zurannte.

Aus dem Winkel, in dem die Frau stand, konnte sie nur den Hinterkopf des Kindes sehen. Deshalb versuchte sie, sich an der Hecke hochzuziehen. Aber der Husten und die darauf folgende erneute Blutung machten es ihr das unmöglich.

Nach einigen Minuten blickte Maria hilflos durch eines der Löcher und konnte diesmal die linke Wange des Jungen sehen und sich vergewissern, dass er ihr Lebenselixier und der einzige Grund für ihr Überleben war.

Eine Sekunde später schleuderte der Stier das Kind mit einer gewaltigen Attacke in den Himmel.

Als Maria dies sah, fiel sie mit heftigen Krämpfen zuerst auf den Bauch, dann auf die Knie, ihr Körper schlug auf den Boden und sie blutete stark.

 

Wenige Minuten später versammelten sich einige Neugierige um den blutüberströmten, schwarz gekleideten Körper.

Die Menschen, die an diesem Tag gekommen waren, wollten das Gesicht des Todes sehen. Ein Gesicht, das jeder nur im anderen sehen wollte und für sich selbst für unmöglich hielt.

 

„War es nicht so, dass in ihren Augen der Tod nur der leblose, jämmerliche Leichnam war, den sie vor sich sahen,

und sonst nichts?“

 

Die Menge verließ nach und nach die Arena und verteilte sich in den umliegenden Straßen und Gassen.

Die Sonne hatte in einzigartiger Harmonie mit den Wolken in der westlichen Ecke des Himmels ein einzigartiges Gemälde von Rot über Gelb und Grau bis hin zu Schwarz gezeichnet, und erstaunlicherweise veränderte sich dieses ursprüngliche Design von Moment zu Moment.

Nach dieser außergewöhnlichen künstlerischen Darbietung sammelte die Sonne die kleinsten Partikel ihres Lichts aus allen Winkeln dieses Teils der Erde ein.

Wenige Augenblicke später legte Eros über der Arena drei leuchtende Pfeile mit goldenen Spitzen in seinen Köcher.

Er hatte seine Mission mit einem vollen Erfolg beendet und beobachtete einen Moment lang desinteressiert die vor Begeisterung explodierende Menge in der Arena.

Diesmal hatte die Menge das Maximum an Freude, Spannung und Spaß erreicht, das nur möglich war. Denn außer dem Matador und dem Stier waren auch ein Junge in der Arena und eine Frau außerhalb der Arena gestorben.

Dann nickte Eros und flog gleichgültig davon, um einen Augenblick später in einer Ecke des Himmels zu verschwinden.

                                                                                                                     

In der Mitte des sich drehenden Tunnels, unsichtbar für die Menschen auf der Erde, bewegte sich ein strahlender alter Mann in Matadorstracht mit einem Matadorhut unter dem Arm vor einer Dreiergruppe, bestehend aus einem jungen, tapferen Matador, einem lächelnden, aktiven Jungen und einer fröhlichen, schönen Frau.

 


[1] Eros ist in der griechischen Mythologie der Sohn der Aphrodite und gilt als Liebesgott, der mit geflügelten Pfeilen die Liebe erschafft.

[2] Spiritueller Komplex

 






t

Kurzgeschichte:

Flussüberquerung

Kurzgeschichte:

Traum eines Schmeterlings

Kurzgeschichte:

Ein fallendes Blatt

Das Wunder der Gedanken von Meister Elahi bei der Erschaffung neuer Paradigmen (Video)

  Ostad Elahis Tamborspiel

Videoclip

Vereinigung der Wissenschaften beider Dimensionen

Ein Überblick über die Errungenschaften und Leistungen Meister Elahis (Video)

 Weltordnung Episode 1

 Prophezeiungen Meister Elahis

Die Frage ist:

Reinkarnation oder aufsteigende Methode?  Teil 1

 Mahiaat-Elektronen-Theorie

Intelligence network

PSYCHE, from a new perspective.
 

Verbindung des Karma-Systems mit dem Schicksal.  Videoclip

Wie funktioniert der menschliche Intellekt?
 
Videoclip

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit



Faramarz Tabesh


Eine Geschichte aus dem Buch Wunder von Guadalup

Artikelcode im Archiv:   nv lhjhn,v



Videoclip 

Demnächst


Artikel in Audioform für sehbehinderte Menschen

Share by: